Archiv 1999: ich sehe meine Augen

Das Archiv: 1999 Teil 1

18.4. bis 16.5.1999 Ausstellung: „Ich sehe meine Augen – photography Wilm Weppelmann“ gallery 48143 Münster Bahnhofstr. 6

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Aus dem Auge verloren – Die Photographien von Wilm Weppelmann

Eröffnungsrede von Brigitte Merz, Heidelberg  17.4.99

Das Augenfälligste ist ein Trauerspiel – die Photographie verliert ihr liebstes Objekt der Begierde, das Photografenauge ist hier ohne Pendant, einsam vor den verschlossen, verdeckten Augenhöhlen, die abgelichteten Menschen treiben in ihrer Dunkelheit oder wehren sich vehement gegen die Vereinnahmung durch die Photographie. Etwas wie sein Augen hüten, heißt eine Redewendung und diese Menschen lassen kein Zweifel daran, dass das Auge nur ihnen gehört, ein Stück ihrer Intimität und Existenz ist. Die Protagonisten widerstehen dem Konsumeifer der Kamera, sie lassen sich nicht einfach verschlingen und einverleiben, um als zweidimensionale Zeichen ausgeworfen zu werden. Ihr Geheimnis ist ein geschütztes Geheimnis, vor dem diese Photoarbeiten von Wilm Weppelmann mit Respekt aufleben, um dann eine ganz andere neue Sinnlichkeit und Menschlichkeit für sich zu entdecken.

Diese Ausstellung ist ein versteckter Angriff auf die Zwangsneurose der Porträtphotographie. Das Augen-Ich muß von der photographischen Alltagswelt für eine Entlarvungsorgie der Individualität herhalten, ein heilloses, leeres Unterfangen, denn die Photographie als situatives Fixative vergißt so oft ihre illusionäre Ebene. Gerade das Auge lebt aus seiner bewegten Wahrnehmungsfunktion. Der Photograph baut sich aus seiner Augenperspektive zu einem Ich über dem Ich auf und möchte das andere Auge treffen und beherrschen, und die Aura des Blickes in einem Bild zu verkapseln. Nach dem Motto: Ich sehe was du nicht siehst – in einem seltsam, kindlichem Machtspiel.

Zu diesen Bildzeichen stößt ein aufregendes widerstrebendes Wortwerk ………. und damit öffnen wir den Blick auf den Produzenten. Eins ist sicher, das Feld für seine Studien ist erst gerade eröffnet worden, nach einer Karriere als Verlagsmanager fand Wilm Weppelmann den Weg sein Leben, ganz außerhalb, in dem Risiko eines künstlerischen Experiments anzusiedeln. Neben einigen Photoreihen, einer Ausstellung in Japan, ist zur Zeit auch ein Buch in Vorbereitung. Der Künstler auf dem Weg kreative Vielseitigkeit in der Verarbeitung multipler Strukturen– Wort neben Wort – Bild aus dem Wort – Wort für das Bild – Bild gegen das Bild – … – auszuleben und dabei Gestaltungsvisionen und Sinnhaftigkeit aufzudecken. In dieser Ausstellung erreicht uns eine erste spannende Kostprobe.

Leider bleibt mir in diesem Kontext nicht genug Raum, um die intellektuellen und sinnlichen Facetten der Arbeiten von Wilm Weppelmann en détail zu entschlüsseln, aber jeder sieht was er sieht und vergißt sicher was er nicht ertragen möchte oder?!

“ Er hatte das Auge eines Geiers – ein blaßblaues Auge mit einem Häutchen darüber. Sooft dessen Blick auf mich fiel , überlief es mich kalt; und so kam ich denn nach und nach – ganz langsam und allmählich – zu dem Entschlusse, dem alten Mann das Leben zu nehmen und somit des Auges auf immer ledig zu werden.” Edgar Allen Poe „Das verräterische Herz“

Texte aus der Ausstellung:

das auge
des photographen
das auge vor dem auge
das auge aus dem auge
das bild aus dem auge
das bild aus der welt
rastlos wuchernd
gegen die welt
mit der welt
sortieren
ordnen
flüchten
zur sekundenstarre
ausschnitthaft
herunterspielen
das faktische
einer illusion
das bild des bildes
in der vergangenheit
der gegenwart-
 
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